"Esoteriker sind Transzendentalisten, die den Körper tabuisieren.

Die Spiriszene ist voll von solchen Gurus, die Dich aus Deinem Körper verjagen wollen.

Sie alle kennen nicht das wahre Geheimnis: dass da überhaupt niemand zum Vertreiben vorhanden ist.

Es ist genau umgekehrt wie in den Fantasien der Meditationsfanatiker:

nicht Du verpisst Dich aus Deinem Körper, sondern das Ich löst sich auf, das flüchten wollte.

Anstatt aus der Realität zu flüchten, hat sich das verflüchtigt, was sich selbst geträumt hat."

De Toys: "UNIFORM UND UNIVERSUM - Über spirituelle Spontaneität beim Menscheln"

 

 

SPIRITUALITÄT (SINNSUCHE) & TRANSRELIGIOSITÄT (SOSEIN)

 

Wie viel Prozent der Menschheit stellt sich die sogenannten "letzten Fragen" nach Sinn, Sein, dem Ich und Gott – und warum? Auf so manch anständig angepassten Bürger, der (scheinbar) problemlos seinem lebenslänglich gesicherten Arbeitstrott im Büro, der Fabrik oder auf der Chefetage einer Luxusyacht nachgeht, wirkt die verzweifelte Suche nach Erleuchtung vielleicht ziemlich schräg, ja womöglich sogar total "psycho", weil er die existenzielle Not und Notwendigkeit darin (noch) nicht erkennt.

 

Das Bedürfnis nach Antworten entsteht oftmals erst mit der wachsenden Nähe zum Tod: durch den nahenden eigenen oder dem Sterben eines Nahestehenden oder dem plötzlichen Ableben eines Prominenten, der zur Alltagskultur so selbstverständlich dazu gehörte, dass sein brutales Verschwinden eine klaffende Wunde, ein Loch in der Matrix, eine Ohnmacht und Kommunikationsleere erzeugt. Die Massenmedien können uns mit keinen weiteren Skandalen unterhalten, die den langweiligen Job wenigstens beim Smalltalk in der Mittagspause erträglich machten, oder die einzigen tiefen, ehrlichen Gespräche, die wir mit einer geliebten Vertrauensperson führten, laufen nun ins Leere: der Mensch ist einfach tot, nicht mehr verfügbar, um von uns selbst abzulenken. Dann spürt der geschockt Zurückgebliebene in aller Demut sein eigenes Ausgeliefertsein an den natürlichen Prozess der Realität und beginnt sich zu wundern: was soll das denn alles, wenn es sowieso für immer endet und von niemandem nichts in ein erhofftes jenseitiges Paradies mitgenommen werden kann? Wozu diesen ganzen irdischen Reichtum besitzen und anhäufen, wenn von dem schnellsten Jäger und besten Sammler am Ende nur abgenagte Knochen oder im Winde verstreute Asche übrig bleibt?

 

Diese Fragen hat dann DAS ICH des Menschen und da wir gelernt haben, unsere Identität mit dem Ich zu identifizieren, glauben wir nun, alle Fragen beantworten zu müssen, um weiter lebensfähig zu sein, nicht depressiv oder gar suizidal zu werden. Wir mutieren zu spirituellen Suchern, die große SINNSUCHE hat begonnen. Wir lesen esoterische Lebensratgeber und meditieren für viel Geld bei den berühmtesten Gurus, um wenigstens ab und zu "Bliss" zu erfahren, also kurzfristige spontane akute Erleuchtung, die uns helfen soll, das katastrophale Weltgeschehen zu ertragen. Eine finale nachhaltige Dauer-Erleuchtung erreichen wir komischerweise nicht, sondern verstricken uns immer tiefer in die absurdesten Wellness-Techniken zur sporadischen Erfahrung von Ichlosigkeit und Gedankenleere – und der strategische Bewusstseinscoach bietet uns bereits einen Frühbucherrabatt für den nächsten Schweigeretreat oder Atemworkshop oder Yogakurs, um unsere "heiligen" Erfahrungen zu vertiefen und zu verfestigen. Aber WER ist da eigentlich auf Sinnsuche und konsumiert irgendwann geradezu zwangsneurotisch jedes spirituelle Angebot, um mit "sich selbst" weiter zu kommen, in der Hoffnung, die Suche möge noch rechtzeitig in einer bombastischen Erlösung münden, wodurch man dann endlich das schallende Gelächter der Zenmeister verstünde? Die frohe Botschaft lautet leider ganz anders als erwartet: der einzige, der da etwas sucht, ist das ICH – und dieses Ich, das uns kollektiv-hypnotisch anerzogen wurde, hat sich im Denken ein grammatikalisches Gewohnheitsrecht erobert. In Wahrheit ist das Ich aber nur ein banales Wort, ein absolut hohler Begriff, ein substantivischer Satzanfang, der von sich selber glaubt, mehr als ein Wort zu sein, nämlich eine Sache, eine Entität, eine metaphysische Zentrale im neuronalen Netzwerk. Diese Zentrale konnte allerdings durch kein einziges neurobiologisches Experiment gefunden werden, im Gegenteil: unter progressiven Wissenschaftlern wächst der Verdacht, dass das Ich nur eine verselbständigte Funktion des Gehirns darstellt, die von sich glaubt, eine eigenständige Person darzustellen.

 

Das Ich redet dann von "sich selbst" als das wahre SELBST des Menschen, seiner Seele, seiner inneren Mitte und dem gleißend goldenen Lichtquell, an dem der erleuchtete Durchgang zu Gott oder dem unendlichen Nichts zu finden sei. All das erweist sich bei genauerem Hinsehen als schizophrener Schildbürgerstreich! Dieses Ich, das sich vom eigentlichen Körpergefühl letztlich komplett dissoziiert hat, indem es behauptet, es sei "Geist" im Gegensatz zu MATERIE, ist nur ein triviales Wort in der Grammatik der Denkprozesse, das sich nur sehr schwer vermeiden lässt, wenn sich Menschen über ihre unterschiedlichen Meinungen austauschen wollen. Es fällt einem schwer, eine ichfreie Formulierung für "Ich schwitze mich tot!" zu finden, wenn man den Zustand ohne Ich definieren will, also z.B. mit dem Satz "Die Temperatur treibt die Körperflüssigkeit so krass an die Hautoberfläche, dass kein klarer Gedanke mehr möglich ist!" Diese ichneutrale sachliche Formulierung wirkt auf uns übertrieben gestelzt, borniert, intellektual verschwurbelt und zwanghaft bemüht. So reden normale Menschen nunmal nicht. Sie benutzen das Wörtchen "ich", um den Dialog möglichst leicht und schnell voran zu treiben. Dabei gerät aber über die Jahre in Vergessenheit, dass es kein echtes Ich gibt, sondern DAS DENKEN DENKT und der Mensch sich damit nicht zu identifizieren braucht. Die tatsächliche Ichlosigkeit, die vom spirituellen Sucher sehnsüchtig zur religiösen Erleuchtung überhöht wurde, weil er ahnt, dass das Denken dann keine traumatischen, depressiven, suizidalen Probleme mehr bereitet, diese natürliche Ichlosigkeit der gesamten Realität ist der Urzustand jedes Atoms, jeder einzelnen Zelle, jedes Organs, jedes Sterns, jeder Galaxie und des gesamten Universums! Das Universum hat kein Ich, das zu sich selber sagt, es sei das Universum, sondern das Universum IST einfach das unendliche Ganze, das in Form von unzähligen Details erscheint, die ebenfalls einfach nur das sind, was sie sind, ohne ein Ich zu haben, das zu sich sagt, es sei der Grashalm, der Strand, das Insekt oder der Baum. Darum behauptet auch kein ichbefreiter Mensch von sich, dass "er kein Ich habe" (also ein Erleuchteter sei), weil da niemand mehr ist, um etwas zu haben. Aber den ganzen Tag im Verkehr der gesellschaftlichen Matrix mitzuspielen, ohne das Wörtchen "ich" zu verwenden, ist schier unmöglich oder zumindest extrem umständlich. Ichlose Freunde verzichten darum gerne auf diese grammatische Genauigkeit anstatt das Wort "ich" esoterisch zu tabuisieren. Aber inhaltlich hat das Wort eine völlig andere, neue Bedeutung bekommen: anstatt eine Person zu bezeichnen, definiert es die gesamte Komplexität einer Situation, wie sie der Sinneswahrnehmung erscheint. Wenn ein "zur Ichlosigkeit erwachter" Mensch in einer Bar sagt: ICH FINDE ES ECHT SCHÖN HIER, LASS UNS BLEIBEN UND WAS TRINKEN – dann meint er eigentlich: alles, was gerade hier und jetzt passiert, passt wie immer und überall perfekt zusammen, da bedarf es keiner absichtlichen Änderung durch ein künstliches Ich, das dem Moment seinen Willen aufzwingen könnte, und die Preise für die Cocktails sind ok.

 

Warum muss über all diese "verrückten" psychologischen Dinge überhaupt so explizit diskutiert werden? Weil die Psychiatrie immer noch von der modernen abendländischen Doktrin der Individualpsychologie dominiert wird, gemäß derer das Ich als reale Instanz existiert, die enttraumatisiert werden muss, von Neurosen geheilt und von Suizidgedanken befreit, um den Mensch aus seiner selbst geschaffenen Gefahrenzone zu manövrieren, dem virtuellen Gefängnis, das in Wahrheit eine Fata Morgana des sich selbst reflektierenden Denkens ist! Die frohe Botschaft der natürlichen Ichlosigkeit der gesamten "Realität" oder "Materie" (was ja auch nur substantivierte Werbeslogans für das wortlose, undefinierbare Ganze sind!), hat daher eine paradoxe Kehrseite: kein Ich kann diese Ichlosigkeit durch irgendwelche Maßnahmen entdecken, erfahren und besitzen, aber hofft trotzdem inbrünstig, durch die teuersten, vornehmsten und originellsten psychotherapeutischen oder paranormalen Techniken die erfundenen Mauern seines Identitätsgefühls als Person zu sprengen, um hinter der labyrinthischen Hyperreflexion mit Gott zu verschmelzen. Falls ein Mensch sich aus irgendeinem Grund plötzlich nicht mehr mit dem Wort Ich identifiziert (was sogar durch Einsatz von Psychopharmaka passieren kann, die den destruktiven Gedankenkreisel zum Stillstand bringen!), sondern das Denken (in aller Schwere!) von alleine denken lässt und die Beine (mit allen orthopädischen Schmerzen!) von alleine gehen lässt, den Mund von alleine sprechen, die Augen von alleine schauen und die Gefühle von alleine fühlen lässt, dann tritt ein radikaler Zustand ein, der zum viel größeren Staunen anregt als jede esoterische Erleuchtung des Ichs: der Mensch kann dann nie mehr zum psychiatrischen Fall degradieren, sondern lebt aus einer RADIKALEN RESILIENZ gegenüber dem Orchester seiner vielen früher antrainierten Ich-Stimmen, die ihm wie Programme eines Computers erscheinen, die nicht gelöscht wurden, obwohl NIEMAND mehr da ist, der sie braucht.

 

Vor einigen Jahren war es dem hier schreibenden Autor kaum möglich, darüber so sachlich, klar und trivial zu schreiben, da eine Rest-Ich-Struktur derart angeekelt von spirituellen Szenen war, dass die Sorge bestand, von religiösen Fanatikern und depressiven Verehrern von Gurus belagert oder bombadiert zu werden. Die profilneurotische Übermensch-Projektion von Suchenden, die nicht kapieren, dass es keinen Sieger gibt, der den Gral gefunden hat, sondern dass der heilige Gral eine Erfindung von Suchenden ist, die auf den Zustand des "zur natürlichen Ichlosigkeit" Erwachten neidisch sind, weil sie glauben, da sei JEMAND, der erwacht wäre, während sie selber "noch träumten" – diese überhöhende Projektion der Verzweiflung auf einen grundlos fröhlich INWESENDEN ist die Geburtsstunde von Sekten und Glaubenssystemen, gegen die der hier schreibende Mensch immerschon selbst immun war und nicht zu dem Irrtum beitragen wollte, dass Menschen einen Bruder oder eine Schwester zu einem Heiligen überhöhen, weil sie sich selber als Gefangene ihrer seelischen "Abwesenheit" empfinden und sich nach irgendeiner "Anwesenheit" sehnen. Der Autor ist nur die Figur des Schreibenden, dessen Finger Buchstaben tippt und der über keinerlei Weisheit verfügt, die ihn zu einer besonderen Person macht. Das einzige, was in diesem denkenden Gehirn passiert, ist die Freude am Denken wie an allem anderen, was parallel passiert. ALLES PASSIERT einfach, frei von einer Person, die das persönlich nähme. So ist das Leben nunmal. Auch wenn Du noch glaubst, eine Person zu sein, die die Ichlosigkeit suchen müsste. Der Spliss im Haar ist existenziell bedeutsamer als der Bliss im Hirn, aber das Hirn kann deine ichlosen Haare nicht sehen...

 

 

Autor: Tom de Toys, 20.8.2023, übernommen von Wordpress

Mit Absätzen und Hervorhebungn (fett & kursiv) durch die LDL

 



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2002 hatte die neue Satsang-Bewegung ihren Zenit bereits überschritten. Aus Satsang wurde allmählich Satire, aus Erleuchtung wurde Erschöpfung: das spirituelle Burn-out machte sich breit. Umso leichter wurde es, sich in einen Guru zu verwandeln und Geld mit dem NICHTS zu verdienen. Die LDL macht ab 2020 nur noch BEACH YOGA und empfängt Dich kostenlos ohne Scheinprobleme!

 

"Während ich mir Mühe gab, dem Blick standzuhalten, und immerzu in seine Pupillen starrte, beschlich mich das Gefühl, ins Leere zu sehen. Ja. Da war überhaupt nichts. Da war keine Persönlichkeit. Es war, als säße da eine Hülle, durch deren Einlässe ich direkt ins Vakuum blickte. Niemand. Kein Anhaltspunkt. Kein Widerstand."  Dietmar Bittrich & Christian Salvesen, DIE ERLEUCHTETEN KOMMEN (2002)

 

Das 9.Buch: "KEIN YOGA FÜR NIEMAND - NO YOGA FOR NOBODY" (2023) über den Deepfake aller spirituellen Methoden!