"Schließlich erlebt der Mensch mit Verdrängungen keine Dinge und Menschen sondern

sein Erleben ist gedanklicher Natur. Er hat die Illusion, mit der WELT in Berührung zu sein,

während er nur mit WORTEN in Berührung ist. (...) Wenn man keine Verdrängungen hat, lernt man wieder,

die Wirklichkeit unmittelbar und unverzerrt zu erfassen, und erwirbt wieder die Einfachheit und Spontaneität des Kindes."
Erich Fromm, ZEN-BUDDHISMUS UND PSYCHOANALYSE (1960)

 

Narben

 

"Zeit heilt alle Wunden" – das behauptet zumindest der Volksmund. Doch Narben auf Kinderseelen heilen nicht so leicht wie die aufgestoßenen Knie aus Kindertagen. Bei beiden bildet sich eine dicke Schorfschicht darüber. Wenn die Wunde zuvor sauber ausgewaschen worden ist, dürfte die Wundheilung unproblematisch verlaufen. Nur wie lassen sich Seelen so verarzten, dass die Wundheilung sauber vonstatten gehen kann? Das Zaubermittel dürfte ein Seelenbad in Liebe sein, Liebe müßte das verwundete Herz durchspülen und umfluten und liebevolle mütterliche Arme müssten zärtlich umfangen und der Mund tröstende Worte sprechen... Wie aber können Mütter und auch Väter diesen Liebesdienst erbringen, da ihre Seelen und auch die Seelen der Generationen vor ihnen Schaden genommen haben durch traumatische Erfahrungen – und sich selber nicht sicher, geborgen und geliebt gefühlt haben? Von Generation zu Generation wird dieses Staffelholz weitergereicht.

 

Statt auf Geborgenheit und Liebe haben sich die Nachkriegskinder auf materielle Sicherheit ausgerichtet. Nahrung für die Seele stand nicht auf dem Programm. Kinder bekamen doch alles – ausreichend Kleidung, Nahrung im Überfluss und selbstverständlich jedwede andere Unterstützung von Musikunterricht über Nachhilfe bis zum großzügigen Taschengeld. Und sie bekamen ebenso großzügig gut gemeinte Begrenzungen gesetzt, wie sie zu sein hätten, damit sie es später einmal leichter und besser hätten als ihre Eltern. Sie sollten früh lernen, "ihren Mann" zu stehen, um in unserer Leistungsgesellschaft bestehen zu können. Außerdem trägt das elterliche Vorbild mehr zur Persönlichkeitsbildung bei als jedes gesprochene Wort. So wie Mama oder Papa wollen Kinder im Normalfall werden. Aus Kindersicht sind Eltern unfehlbar! Kinder fühlen sich für jedes Unwohlsein, dass sie bei den Eltern bemerken, verantwortlich.

 

Jedes "Sei so" oder "Du darfst so nicht sein, das gehört sich nicht" macht das um Gefallen bemühte Kind ärmer in seiner Ausdrucksweise. Wenn dann noch emotionale Verletzungen hinzukommen wie Nichtbeachtetwerden wegen schlechtem Verhalten, wenn mit Liebesentzug gestraft wird, wird es heikel. Oder wenn Eltern ihre eigenen Gefühle unterdrücken und etwas ganz anderes kommunizieren, als sie emotional aussenden. Das Kind erhält unterschiedliche Signale, die es nicht einordnen kann, und fühlt sich vollkommen orientierungslos. Es lernt sehr schnell, viele Antennen zu entwickeln, die in alle Richtungen ausgefahren werden, um drohende Gefahren rechtzeitig zu erkennen und ihnen möglicherweise ausweichen zu können. Dabei geht jede Spontaneität und Lebensfreude verloren, weil Lob und Anerkennung die wichtigste Nahrung für Kinder ist. Welche Eltern sagen ihrem Kind schon: "Ich bin so froh, dass du da bist. Ich hab' dich lieb! Und zwar egal, was du tust und wie du bist!" Kinder haben feinste Antennen für die leiseste Unstimmigkeit.

 

Und mit jedem Schmerz wird die Wunde im Kinderherz größer. Da es möglicherweise mit diesem Schmerz vollkommen allein gelassen wird, verhärtet sich das so empfindsame Herz, das doch nur lieben wollte. Schicht um Schicht legt sich der Schorf um dieses Kinderherz, der so hart und krustig wird, dass er scheinbar nie wieder zu lösen ist. Das Kind entwickelt seine Strategien, damit es in der Familie, der Schule und im Freundeskreis keine weiteren Verletzungen zu befürchten hat. So entstehen die kleinen Träumer, die sich ständig in ihre Tagträume flüchten, oft unfähig, zu anderen in Beziehung zu treten, weil ihre Phantasiewelten ihnen Sicherheit versprechen. Klassenclowns bringen alle zum Lachen, stehen immer im Mittelpunkt, scheinen immer fröhlich zu sein – aber Clowns sind an sich die Traurigsten von allen. Rebellen sind auch in großer Anzahl vertreten, die gegen alles angehen, die immer die unerschrockenen und mutigen Anführer spielen. Dann gibt es noch die von der Klasse gehassten Streber, für die Leistung um jeden Preis die einzige Möglichkeit ist, Anerkennung und Aufmerksamkeit zu bekommen. Denn das wollen sie alle auf irgendeine Art.

 

Wenigstens Aufmerksamkeit – wenn schon keine Liebe zu bekommen ist! All diese Strategien dienen aber nur dem einen einzigen Zweck, nämlich dem unglaublichen Schmerz im Innern nicht begegnen zu müssen. Innerlich brennt jedes Kinderherz vor Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Dieser Schmerz scheint so unerträglich, dass er überlagert wird von anderen Gefühlen wie Wut und Trauer; denn die Ohnmacht und Hilflosigkeit, die das Kind darüber empfindet, dass es die Situation nicht verändern kann, rufen meist eines der beiden Gefühle an die Oberfläche. Das andere taucht in tiefere Schichten ab. Tonnen von Schuldgefühlen lasten auf der Kinderseele, weil es sich für nicht gut genug hält. Es glaubt, ein schlechter Mensch oder ein totaler Versager zu sein. Wenn es durch irgendeinen Umstand gelingt, die oberflächliche Vernarbung zu durchdringen, könnte es sein, dass der Schorf abplatzt und das Zulassen von emotionalen Prozessen wieder möglich wird.

 

Da sich das System aber selber schützt, sind viele Kinder in den Denker geflüchtet. Hier haben sie ihren Anker gefunden. Wer sich selber in seinem Körper nicht spüren kann (und Gefühle werden im Körper wahrgenommen als Druck, Enge, Brennen, Schmerz oder anderes), benötigt etwas anderes, das irgendwie Halt verspricht. Diesen Halt aufzugeben und die Reise in den Körper zurück anzutreten, ist ein Abenteuer, das gefährlich wirkt. Das ausbalancierte System wird dadurch komplett ins Trudeln gebracht wie ein Flugzeug bei einem Absturz. Es wird immer wieder versuchen, sich neu einzurichten in Scheinsicherheiten. Wenn der Prozess läuft, scheint er zwar manchmal für eine Atempause zu stagnieren. Aber das Leben sorgt großzügig für Gelegenheiten, dass letztlich eine neue gesunde Balance gefunden werden kann, wo der Körper mit seinen Empfindungen, der Emotionalkörper mit seinen Gefühlen und der Mentalkörper wieder deckungsgleich sind.

 

Mit Voranschreiten des Prozesses tritt Entspannung im System ein, die Antennen können eingefahren werden und stattdessen erscheint wieder kindliche Lebensfreude und Ausgelassenheit. Der Mensch erkennt sich selbst nicht wieder; denn er ist ja so nicht nur durch seine Kindheit gelaufen, sondern auch durch sein Erwachsenenleben. Vielfach verändert sich die gesamte Einstellung zum Leben: er wird gelassener, fühlt sich so sehr mit sich selber verbunden und eins, dass er innerlich satt und zufrieden ist und nicht mehr abhängig von äußerer Zuwendung. Dieses Sich-selbst-genug-sein ist die Ausgangsbasis für das wunderbare Abenteuer, das man Leben nennt. So schmerzvoll der Weg durch das Tal der Tränen ist, der Lohn ist unvergleichlich und jede Mühe und jede Träne wert.

 

 

AUTORIN: Monika Johannsen, 2018

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2002 hatte die neue Satsang-Bewegung ihren Zenit bereits überschritten. Aus Satsang wurde allmählich Satire, aus Erleuchtung wurde Erschöpfung: das spirituelle Burn-out machte sich breit. Umso leichter wurde es, sich in einen Guru zu verwandeln und Geld mit dem NICHTS zu verdienen. Die LDL macht ab 2020 nur noch BEACH YOGA und empfängt Dich kostenlos ohne Scheinprobleme!

 

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